Die Moore im Tiroler Bezirk Kitzbühel

Testaceen


Schalenamöben
oder auch als Thecamöben bzw. Testaceen bezeichnet, findet man in nahezu allen Milieus unserer Erde. Die meisten Arten leben jedoch - wie auch die Desmidiaceen - im Süßwasser bzw. in regenwassergespeisten Moosen, so auch in Mooren, wo sie besonders vielfältig sind. Je nach Art des Moors trifft man auf bestimmte Arten. Typische Hochmoorbewohner sind z.B. die Moortönnchen (Archerella flavum und Amphitrema wrightianum). Aber auch die Glaskeil-Schalenamöben Hyalosphenia elegans und H. papilio sowie Difflugia bacillifera findet man überwiegend oder fast ausschließlich in Zwischen- und Hochmooren. Die bisher gefundenen und bestimmten Arten (ca. 150, Stand: April 2021) sind der Galerie zu entnehmen. Die Galerie ist alphabetisch nach wissenschaftlichen Artnamen geordnet. Wenn möglich, habe ich lebende Organismen abgebildet. Zur aktuellen Taxonomie verweise ich auf die umfangreiche englischsprachige Rhizopoden-Seite von Ferry Siemensma (NL). Dort werden auch Arten aus unserem Gebiet gezeigt. Die Aktualisierung der Nomenklatur auf meiner Website erfolgt derzeit, dies dauert allerdings ein wenig (April 2021). Die alten taxonomischen Zuordnungen stehen in Klammern hinter der aktuellen Einordnung.

Schalenamöben gehören zu den Wurzelfüßern (Rhizopoda), denen auch Nacktamöben und Sonnentiere zugeordnet werden. Sie sind grundsätzlich einzellig.

Die Testaceen besitzen ein mehr oder weniger ausgeprägtes Gehäuse, das überwiegend aus Gerüsteiweißen besteht, verschiedene Formen aufweist und eine unterschiedlich gestaltete Öffnung besitzt. Das Gehäuse wird oft mit verschiedenen Materialien verstärkt, z.B. Kieselalgen, selbst produzierten Kieselsäureplättchen, von anderen Schalenamöben einverleibte Schalenbestandteile oder winzigen Sandkörnchen. Die eigentliche Amöbe lebt geschützt im Inneren der Schale, vergleichbar mir einer Gehäuseschnecke.

Die Schalen sind z.T. beeindruckend strukturiert:


Oben links: Arcella sp., oben rechts: Assulina sp., unten links: Cyphoderia ampulla, unten rechts: Nebela sp.

Die Ernährung und Fortbewegung erfolgt über sog. Pseudopodien, d.h. beweglichen, unterschiedlich ausgeprägten Plasmakörpern. Diese werden grob unterschieden in dick fingerförmige Lobopodien (z.B. bei den Gattungen Difflugia, Hyalosphenia und Nebela) und dünne, eher fadenförmige Filopodien (z.B. bei den Gattungen Amphitrema, Euglypha und Lecythium).


Spiralhaus-Schalenamöbe (Lesquereusia spiralis) mit Lobopodien

Das folgende Foto zeigt Scutiglypha acanthophora mit Filopodien:



Die Vermehrung aller Amöben erfolgt ungeschlechtlich per Zellteilung:


Zellteilung im Stadium des Plasmaaustausches bei Difflugia bacillifera

Bei den meisten Schalenamöben erfolgt die Kernteilung erst dann, wenn der Bau der Schale abgeschlossen ist. Nähere Informationen hierzu bei Grospietsch (1965, S. 18 f.). Auf diesem Bild sieht man den Austausch des Zellinhalts am Ende der Teilung. Der Zellinhalt wandert mehrfach hin und her. Ist dieser Vorgang abgschlossen, trennt sich die neu entstandene Amöbe von der Mutterzelle. Eine sehr schöne Fotosequenz zur Zellteilung von Lesquereusia spiralis zeigt Ferry Siemensma auf seiner Website.

Nicht selten wird auch eine neue Schale gebildet, die nicht der Zellteilung, sondern des Umzugs dient. Die Zelle wandert in die neu gebildete Schale und verankert sich in derselben. Auffällig häufig ist dieses Phänomen bei Pseudodifflugia sacculus zu beobachten.

Häufig findet man bei Schalenamöben die Encystierung. Das Körperplasma wird weitgehend von der Umwelt isoliert und verändert sich zum kugeligen Zellklumpen. Zuvor wird oft die Schalenöffnung (= Pseudostom) abgedichtet. Selten kommt es auch außerhalb der Schale zur Zystenbildung.


Zyste mit verschlossenem Pseudostom bei Heleopera sphagni

Die Gründe für eine Encystierung sind entweder das Überstehen ungünstiger Lebensverhältnisse (z.B. Austrocknung oder Nahrungsmangel) oder auch das Ruhestadium nach sehr üppiger Nahrungsaufnahme. Wie auch bei anderen Mikroorganismen ist in diesem, vergleichsweise robustem Stadium auch eine Verbreitung (etwa durch Wind oder im Fell/Gefieder größerer Tiere) möglich.